„Brauche ich für meine Kanzlei überhaupt eine Kanzleikultur?“
Eigentlich soll eine eingangs gestellte Frage ja am Ende des Beitrags beantwortet werden. Hier möchte ich Sie aber nicht so lange auf die Folter spannen, denn die Frage ist falsch gestellt. Sie haben längst eine Kanzleikultur. Viel wichtiger ist die Frage: Haben Sie die richtige? Die Antwort darauf wissen Ihre Mitarbeiter oder Mandanten schon. Aber wissen Sie sie auch? Mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen verdeutlichen, dass es wichtig ist, sich mit der Kanzleikultur zu befassen und Ihnen helfen, die richtige zu finden.
Was ist eine Kanzleikultur?
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Unternehmenskultur als Grundgesamtheit gemeinsamer Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, die Handlungen und das Verhalten der Organisationsmitglieder prägen. Diese Definition enthält eine Menge Bestimmungsstücke, auf die einzeln einzugehen zwar lohnenswert wäre, aber auch zu weit führen würde. Ich möchte lieber den Begriff weiter operationalisieren, damit Sie damit arbeiten können.
Kanzleikultur (Operationalisierung)
Kanzleikultur ist die Summe aller
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Warum Sie bereits eine Kanzleikultur haben!
Im Artikel „Proaktive Strategien mit problematischen Mitarbeitern“ (Ecker, KP 20, 220) habe ich bereits einmal kurz auf den Kommunikationswissenschaftler, Therapeuten und Philosophen Paul Watzlawick hingewiesen, der den griffigen Satz „Man kann nicht nicht kommunizieren!“ geprägt hat. Das trifft bei der Kanzleikultur ebenfalls zu 100 % zu. Sie können nicht keine Kanzleikultur haben.
Auch dann, wenn Sie sich noch nie um das Thema Kanzleikultur gekümmert haben, hat Ihre Kanzlei doch eine ganz spezielle und individuelle Kanzleikultur, die genau Ihre Kanzlei und die Menschen in Ihrer Kanzlei ausmacht und widerspiegelt. Diese Kultur ist sichtbar und spürbar mit all ihren Auswirkungen nach außen und innen, ob Ihnen das bewusst ist oder nicht. Die Frage, ob es eine Kanzleikultur braucht, hilft Ihnen deswegen nicht weiter.
Warum andere Ihre Kanzleikultur bereits kennen
Meist genügen bereits ein kurzer Aufenthalt und nur wenige Kontakte, um aus einem ersten Eindruck einen recht validen Rückschluss auf die Kultur der Kanzlei zu erhalten. Man spricht in diesem Zusammenhang von Eindrucksbildung. Hierunter wird Folgendes verstanden: Menschen machen sich (und sei es aus nur wenigen Informationen) unwillkürlich ein Bild von den Eigenschaften anderer Menschen bzw. von sozialen Zusammenhängen. Anders als bei physikalischen Eigenschaften, die über Reize direkt erfahrbar sind, ist die Wahrnehmung von Personen und sozialen Strukturen komplex und häufig nur über Rückschlüsse aus beobachtbaren Faktoren möglich. Aus diesen beobachtbaren Eigenschaften wird in einem internen Schlussfolgerungsprozess das Bild konstruiert.
Es sind insbesondere die folgenden Faktoren, die eine signifikante Rolle für den ersten Eindruck spielen und dabei bereits Ihre Kanzleikultur sehr gut erahnen lassen.
Eindrucksbildende Faktoren: | |||
Alle diese Eindrücke nehmen aufmerksame Menschen in Sekunden in sich auf und es entsteht ein übergeordnetes Bild von Formen, Gegenständen, Verhaltensweisen sowie sichtbaren und unsichtbaren (fühlbaren) Werten und Prinzipien. Und was noch wichtiger ist: Die Menschen ziehen dieses Bild heran, wenn sie versuchen, Fragen zu beantworten, zu denen sie (noch) keine Informationen haben: Werde ich als Mandant dieser Kanzlei gut betreut werden? Werde ich mich als Mitarbeiter in Ihrer Kanzlei gut aufgehoben fühlen? Aus diesem Grunde darf Ihnen die Kanzleikultur nicht egal sein. Wie ermittle ich die Kultur meiner Kanzlei?Das ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach. Denn das Bild, dass Sie sich von Ihrer Kanzleikultur machen, muss nicht zwingend mit den Bildern Ihrer Mitarbeiter oder Mandanten übereinstimmen. Aber Sie können sich diesen Bildern annähern ‒ auch ohne umfangreiche Befragungen. Es ist auch einfacher, wenn Sie sich dem Thema mit Blick auf einen bestimmten relevanten Aspekt nähern, als wenn Sie versuchen, die Kanzleikultur „an sich“ ergründen zu wollen. Ein wichtiger Aspekt heute ist die digitale Veränderungsbereitschaft. Damit meine ich das Wissen, Wollen und Können, das in der Kanzlei hinsichtlich der Digitalisierung von Prozessen mit allen Konsequenzen für Arbeitsweisen, Beziehungen etc. vorhanden ist. Die digitale Veränderungsbereitschaft bestimmt ‒ ohne Übertreibung ‒ die Überlebensfähigkeit der Kanzlei in der Zukunft. Denn immer mehr Mandanten machen die Zusammenarbeit mit dem Berater davon abhängig, dass er sich optimal in die digitalen Prozesse des Unternehmens eingliedert. Und immer mehr Mitarbeiter schauen sich genau an, ob die Strukturen und Prozesse der Kanzlei zukunftsweisend sind. Wenn Sie relevante Aspekte der Kanzleikultur analysieren wollen, können Sie in zwei Schritten vorgehen: Schritt 1 ‒ Die eigene Vorstellung präzisieren: Was verstehen Sie persönlich unter einer „Kultur der digitalen Veränderungsbereitschaft“ und wie äußert sich diese aus Ihrer Sicht? Da das aus dem Stand nicht ganz so einfach ist, hier ein paar Hinweise. Veränderungsbereitschaft geht z. B. oft mit folgenden Punkten einher: Indizien für (digitale) Veränderungsbereitschaft
Schritt 2 ‒ Die eigene Kanzleikultur untersuchen: Verfügen Sie über eine Kanzleikultur, welche die notwendige digitale Veränderungsbereitschaft nach innen fördert und nach außen erkennbar werden lässt? Hierbei können Sie sich von meiner Definition der Unternehmenskultur leiten lassen.
Kultur der Veränderungsbereitschaft
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