von Dipl.-Kaufmann Ralf Ecker, Bexbach
| Häufig ist in einer Sozietät mit mehreren Partnern irgendwie jeder und auch keiner so richtig für die Mitarbeiterentwicklung zuständig. Haben solch unklare Verantwortlichkeiten in der Vergangenheit noch irgendwie ganz ordentlich funktioniert, denn die meisten Kanzleien waren ja hinreichend erfolgreich, so kommen diese in Zeiten von New Work, Digitalisierung, Fachkräftemangel und Wertewandel bei den Beschäftigten teilweise abrupt an eine Grenze. Klare Strukturen und Perspektiven sind aber wesentliche Voraussetzungen für motivierte und loyale Mitarbeiter! |
Mitarbeiterentwicklung fängt bei Ihrem Selbstverständnis an
Personalentwicklung beginnt beim Selbstverständnis der Führungskraft. Als was sehen Sie sich in erster Linie? Als Fachkraft und erster Dienstleister in der Kanzlei oder als Führungskraft für Ihre Mitarbeiter? Die meisten Beraterinnen und Berater, die ich kenne, sind sicherlich irgendwo zwischen den beiden Polen angesiedelt. Und doch haben viele den Paradigmenwechsel vom Steuerberater hin zum Mentor für ihre Mitarbeiter noch nicht wirklich verinnerlicht. Das spiegelt sich dann beim Thema Mitarbeiterentwicklung wider.
Entwickeln Sie Mitarbeiter-Persönlichkeiten
Das heißt nicht, dass die Kanzleien nicht sehr viel in die Mitarbeiter investieren würden. Sie schicken sie zu Fach-Seminaren, buchen für sie Webinare oder organisieren Inhouse-Veranstaltungen zu kanzleiübergreifenden Themen. Aber als Mentor Ihrer Mitarbeiter sollten Sie die Personalentwicklung nicht nur auf das Fachwissen der Mitarbeiter beschränken.
Versetzen Sie sich in Ihre Mandanten: Es ist sicher gut zu wissen, dass die eigenen Angelegenheiten bei den fachlich hervorragenden Mitarbeitern gut aufgehoben sind. Aber es ist trotz alledem irritierend, wenn menschlich kein Funke überspringt. Bedenken Sie: Ihre Mitarbeiter sind nicht nur der entscheidende Engpass für weiteres Wachstum, sondern neben Ihnen selbst wahrscheinlich der einzige wirklich relevante USP, der Sie vom Kollegen um die Ecke unterscheidet!
Versetzen Sie sich in Ihre Mitarbeiter: Es ist toll, wenn der Arbeitgeber dafür sorgt, dass mein Wissen immer aktuell bleibt und dass ich jederzeit meinen fachlichen Aufgaben gewachsen bin. Aber es ist irritierend, dass mein Arbeitgeber so gar kein Interesse daran zeigt, dass ich mich persönlich weiterentwickle. Gerade bei jüngeren Menschen findet ein erheblicher Wertewandel statt. Sie wollen in einem Umfeld arbeiten, in dem sie sich wohlfühlen und sich auch als Mensch entwickeln können!
Personalentwicklung zahlt sich objektiv aus
Neben den subjektiven Sichten der Mandanten und Mitarbeiter gibt es objektive Gründe, warum sich Personalentwicklung ‒ richtig verstanden ‒unmittelbar bezahlt macht:
- Zugang zu den raren Fachkräften: Gute Entwicklungsmöglichkeiten sind immer ein Argument für Ihre Kanzlei.
- Höhere Bindung und Loyalität: Je höher die sozialen Kompetenzen im Unternehmen, desto höher die Loyalität und die Bindung an Ihre Kanzlei!
- Schutz vor Regression und nachlassender Agilität: Gerade bei langjährigen Mitarbeitern besteht diese Gefahr durch einseitige Fixierung auf die Fachkompetenzen.
- Besserer Umgang mit Stress: Je stärker die sozialen Kompetenzen, desto höher ist die Resilienz Ihrer Mitarbeiter und auch von Ihnen selbst!
- Langfristig gesünderes Kanzleiklima: Überlastungsbedingte Krankheiten, Fluktuation und Arbeitsunzufriedenheit sind unfassbar teuer. Prävention ist billiger als eine Therapie der Folgen.
Tipps, woran Sie bei einem Entwicklungsplan denken sollten
Ich hoffe, ich konnte Sie mit guten Argumenten dafür gewinnen, im nächsten Jahr auch die Entwicklung der zu Unrecht soft genannten Skills bei der Planung des Fortbildungsbudgets zu berücksichtigen. Bitte machen Sie nicht den gut gemeinten Fehler, nun für alle Zeitmanagement-Kurse oder Stressbewältigungsseminare zu organisieren. So wie sich Ihre Mitarbeiter in Ihrem Fachwissen unterscheiden, so ist auch der individuelle Stand bei den Soft Skills zu berücksichtigen. Auch eine ausschließlich defizitorientierte Sicht wäre falsch. Es kann in Einzelfällen sehr wohl richtig sein, Stärken weiter zu stärken. Schließlich können die in Mitarbeitergesprächen geäußerten Wünsche gute Indizien sein; sie sollten aber mit den Kanzleizielen abgestimmt sein. Ein hilfreicher Ansatz, wie Sie die Entwicklungsplanung auf eine objektive Basis stellen können, ist die DNLA-Personalbilanz (Gaugler, KP 19, 198). Sie ist organisationspsychologisch fundiert und vermittelt ein mitarbeiterindividuelles Bild vom Fortbildungsbedarf.
FAZIT | Ihre Mitarbeiter sind das Kapital, das die Kanzlei voranbringen kann ‒ oder eben nicht. In dem Maße, in dem elektronische Systeme die Arbeiten in der Kanzlei autonom erledigen, werden die Leistungen austauschbar, denn auch Ihre Kollegen setzen diese Systeme ein. Dass Ihre Kanzlei in der Vergangenheit ruckzuck die Abschlüsse fertig hatte oder die Erklärungen abgegeben hat, ist kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Dass die Mitarbeiter Ihrer Kanzlei aber auch die nicht in der FiBu abgebildeten Verhältnisse des Mandanten aus dem FF kennen, aktiv kommunizieren und mit offenen Augen durch das Unternehmen des Mandanten gehen ‒ das macht schon heute den Unterschied!